Harald Zeiss Speaker Keynote Hotel Sterne Qualitätsmanagement

Hotelsterne verlieren an Bedeutung: Digitalisierung verändert das Buchungsverhalten

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, nimmt die Zahl der mit Sternen zertifizierten Hotels und Ferienunterkünfte in Deutschland seit Jahren ab. Während 2010 noch knapp 66.000 Ferienhäuser und -wohnungen klassifiziert waren, sind es heute nur noch 23.500. Auch bei Hotels ist der Rückgang deutlich: Die Zahl sank von über 8.200 zertifizierten Betrieben im Jahr 2011 auf aktuell 6.300. Besonders betroffen ist Sachsen-Anhalt, wo nur noch jedes vierte Hotel eine Klassifizierung aufweist.

Prof. Dr. Harald Zeiss, Direktor des Instituts für nachhaltigen Tourismus, sieht diese Entwicklung als wenig überraschend. „Die Bewertungen sind aus der Zeit gefallen“, erklärt er. „Heute buchen Gäste nicht mehr nach Sternen, sondern nach ihren individuellen Bedürfnissen. Ob ein Hotel WLAN bietet oder nachhaltige Angebote hat, ist oft entscheidender als die Frage, ob das Zimmer ein Bidet besitzt.“ Diese veränderten Prioritäten seien mit ein Grund, warum viele Hotels auf eine aufwendige Zertifizierung verzichten.

Ein weiterer Faktor ist der finanzielle und organisatorische Aufwand für eine Sternebewertung. Viele Hoteliers wägen ab, ob sich die regelmäßige Überprüfung lohnt. Kerstin Nagy, Hotelbetreiberin aus Wernigerode, bestätigt dies: „Sterne bieten zwar einen verlässlichen Standard, doch in wirtschaftlich angespannten Zeiten verzichten viele Betriebe auf die Zertifizierung.“ Der Rückgang der klassifizierten Hotels habe sich besonders in der Corona-Pandemie beschleunigt, als viele Betriebe aufgrund von Schließungen und Einschränkungen keine Nachklassifizierungen durchführen konnten.

Trotz des Rückgangs hält der Dehoga-Bundesverband an der Hotelklassifizierung fest. Sie bleibe ein wichtiges Qualitätssiegel und diene weiterhin als Orientierung für Gäste. Doch der Trend zeigt in eine andere Richtung. Prof. Dr. Harald Zeiss betont, dass sich die Buchungsgewohnheiten der Gäste zunehmend an Online-Bewertungen und spezifischen Anforderungen orientieren. „Die Digitalisierung ermöglicht eine präzisere Suche. Gäste wählen heute gezielt Unterkünfte mit nachhaltigem Fokus oder speziellen Services – die Sterneklassifizierung kann diesen individuellen Präferenzen kaum gerecht werden.“

Während Sterne-Zertifizierungen an Bedeutung verlieren, gewinnen spezialisierte Labels wie „Bett+Bike“, „Wanderbares Deutschland“ oder „Reisen für alle“ zunehmend an Relevanz. „Solche Zertifikate sprechen gezielt bestimmte Zielgruppen an und bieten einen echten Mehrwert für Gäste“, so Zeiss. Besonders in Sachsen-Anhalt sei ein Anstieg bei diesen Themenlabels zu verzeichnen. Die Zukunft des Hotelmarktes liege weniger in allgemeinen Sternebewertungen, sondern in einer passgenauen Ansprache der Gäste – ein Wandel, der durch die Digitalisierung weiter beschleunigt werde.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. März 2025