In einem Gastbeitrag für den Spiegel schreibt der Klimaforscher Stefan Ramstorf (Beitrag hier nachzulesen) über die Auswirkungen von Corona auf die Einstellung zum Klimawandel.
In den letzten Wochen gab es Medienberichte, die davor warnten, dass das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung deutlich unter 2° Celsius zu stabilisieren, nicht zu erreichen ist. Die Autoren berufen sich dabei auf noch vorläufige Resultate der neuesten Klimamodelle verschiedener Forschungsinstitute.
Klimamodelle sind wichtige Werkzeugen der Klimaforschung. Sie sind über Jahrzehnte entwickelte, komplexe Rechenprogramme, die die Abläufe in der Atmosphäre, den Ozeanen und auf den Landoberflächen auf Basis der Gesetze der Physik simulieren. Aktuell gibt es ca. 100 dieser Modelle, betreut und weiterentwickelt von 50 Forschungszentren weltweit. Hochleistungsrechnern simulieren die Klimaentwicklungen anhand dieser Modelle.
Diese Berechnungen (vor allem die im fünf Jahres Rhythmus stattfindenden Standardmodellberechnungen CMIP) sind eine wichtige Basis für die Prognosen der Klimaentwicklung und werden auch vom Weltklimarat (IPCC) verwendet.
Aktuell wurde der CMIP6 ausgerechnet. Die Ergebnisse zeigen eine deutlich stärkere globale Erwärmung. Der Zeithorizont verkürzt sich im Vergleich zu früheren Modellgenerationen. Bislang ging die Klimawissenschaft davon aus, dass eine Verdoppelung der CO2-Menge in unserer Atmosphäre eine Erwärmung von rund drei Grad nach sich ziehen würde – mit einer Unsicherheit von bis zu 1,5 Grad (die sogenannte Klimasensitivität).
Aktuell prognostizieren 14 von 40 Modellen eine Klimasensitivität von mehr als 4,5 Grad, sieben davon sogar über fünf Grad.
Der Mittelwert aller bislang ausgewerteten Modelle liegt bei 3,8 Grad und damit um 0,6 Grad höher als bei der vorherigen Modellgeneration CMIP5.
Im Klartext heißt das, dass die Erde deutlich empfindlicher auf die Emission von Treibhausgasen reagiert. Sollten die Ergebnisse korrekt sein, müsste der CO2-Ausstoß noch schneller reduziert werden als gedacht, denn das noch zur Verfügung steht, würde kleiner.
Nun muss geprüft werden, ob die Berechnungen korrekt sind. In der Vergangenheit zeigten sich die Prognosen im Allgemeinen als sehr treffsicher, obwohl deutlich weniger Rechenleistung zur Verfügung stand. Stefan Ramstorf sieht aktuell noch keinen Handlungsbedarf, warnt jedoch davor, das Ziel, den Klimawandel zu bekämpfen, in Zeiten von Corona aus dem Auge zu verlieren.